Zwischen Walpurgisnacht und Maibaum
- Donauschwaben
- 8. Mai
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Aktualisiert: vor 7 Tagen
Frühlingstraditionen der Donauschwaben im Wandel der Zeit

„Zum ersten Mai schickt man den Esel hinter das Heu“, so lautete ein beliebter Spruch aus der alten Heimat der Donauschwaben (Breitenbach 1937, S. 57). Was heute etwas rätselhaft klingt, bedeutete damals schlicht: Es ist Zeit zum Feiern! Der Mai als Monat des Neubeginns, der Fruchtbarkeit und der Hoffnung war Anlass für zahlreiche Bräuche, darunter das Maibaumstellen – ein festliches Ritual mit tiefen Wurzeln, das bis heute gepflegt wird.
Walpurgisnacht: Schutzzauber für Mensch und Hof
Schon die Nacht vor dem 1. Mai, die Walpurgisnacht, war bei den Donauschwaben reich an Tradition und Aberglaube. In vielen Orten der Batschka „wurde Holler und Flieder in Fenster, Türen und Zäune gesteckt, damit die Druden und Hexen keine Gewalt hätten“ (ebd.). Diese Pflanzen galten als Abwehr gegen das Böse, gegen Hexen und Geister, die in der Frühlingsnacht ihr Unwesen treiben sollten. Neben dem Schutzzauber stand aber vor allem das gesellige Element im Vordergrund: Maibäume wurden aufgestellt – nicht nur vor öffentlichen Gebäuden, sondern auch als Zeichen der Zuneigung vor dem Haus der Liebsten.
Maibaumwettbewerb in Illatscha: Ehre, Handwerk und Wein
In Illatscha, einer donauschwäbischen Gemeinde in Syrmien, war die Maibaumtradition besonders ausgeprägt. Anton Abt, Pionier der brasilianischen Siedlung Entre Rios, erinnert sich lebhaft an seine Kindheit:
„Am letzten Apriltag fuhren die großen Buben mit mehreren Rosswägen in den Wald, um mit dem Herrn Förster den Preis des Baumes auszuhandeln und die schönsten Fichten auszusuchen, denn unter den Dörfern gab es immer einen Wettstreit um den höchsten und schönsten. Die Bäume mussten kerzengerade und 20 bis 25 Meter lang sein.
Die Mädchen flochten die Kränze, die sie mit Blumen und Girlanden schmückten. […] Taschentücher, lange farbige Seidenbänder und eine Flasche Rotwein wurden am Buchbaumkranz aufgehängt. Ein entsprechendes Loch von einem Meter Tiefe musste für jeden Baum ausgegraben werden" (Stoetzer Schneiders/Brandtner Essert 2021, S. 79).
Diese sorgfältig vorbereiteten Feste mündeten in ausgelassenem Tanz: „Am letzten Sonntag im Mai wurden die Maibäume mit der Blechmusik ausgetanzt. Im Polkatakt wurde im Kreis um den Baum getanzt. Es wurde gejuchzt aus voller Brust. Jeder einzelne Baum wurde von den Buben einfach abwechselnd umgehackt. […] Mit gutem und bestem Schiller- und Rotwein ging es lustig und feuchtfröhlich zu“ (ebd.).
Entre Rios: Die Tradition lebt im brasilianischen Frühling weiter
Diese lebendigen Bilder aus Illatscha leben bis heute in Entre Rios, dem donauschwäbischen Siedlungsgebiet in Südbrasilien, fort. Dort ist das Maibaumfest nicht nur erhalten geblieben, sondern zu einem echten Publikumsmagneten geworden. Seit Jahrzehnten feiern die Donauschwaben in Brasilien diese Tradition mit großem Stolz und viel Herzblut. Das Fest ist so beliebt, dass man während der Corona-Pandemie ein eigenes Erklärvideo erstellte, um die Bedeutung des Brauchs digital weiterzugeben: Maibaumfest erklärt – YouTube-Video.
Die Bildergalerien des Festes 2024 (www.donauschwaben.com.br/fotos) zeigen die liebevoll geschmückten Maibäume, die bunten Trachten, die Blasmusik und das bunte Treiben rund um das Festgelände.
Wie Anton Abt einst sagte:
„Es war jedenfalls das wahrscheinlich schönste und interessanteste Fest im Jahreslauf.“
Maibaumaufstellen in Speyer – gelebtes Brauchtum in Deutschland
Auch in Deutschland ist der Maibaum ein fester Bestandteil donauschwäbischer Kultur – besonders in Speyer, wo die Donaudeutsche Landsmannschaft Rheinland-Pfalz seit 1975 jährlich das Fest am Haus Pannonia feiert. Der Landesvorsitzende Paul Nägl erzählt: „In den Anfangsjahren wurde der Baum noch auf den Schultern der Teilnehmer vom Wald zum Vereinsheim getragen – mit mehreren Pausen, vor allem wegen des Dursts.“ Später wurde ein Transportwagen gebaut.
Traditionell schmücken Kinder und Jugendliche den Baum mit Kränzen und Bändern. Unter Musik und dem Beifall der Gäste wird der Maibaum aufgestellt. Anschließend tanzen die Trachtengruppen und es wird gemeinsam gefeiert.
Auch in diesem Jahr war das Maifest im Haus Pannonia wieder ein voller Erfolg – mit vielen Gästen, Musik, Tänzen und einem stolzen Maibaum, der den Frühling und das Gemeinschaftsgefühl sichtbar machte.
Maibaum aufstellen in Speyer
Von Jürgen Harich
Quellen:
Breitenbach, Peter: Sitten und Bräuche der Batschka-Schwaben. Stuttgart 1937.
Stoetzer Schneiders, Maria Dolores/Brandtner Essert, Roseli: Heimatbuch Entre Rios. Band I. Auf den Spuren der Donauschwaben: 300 Jahre Geschichte. Entre Rios 2021.
Die Bilder über das Maifest in Speyer stammen von Paul Nägl.