GESCHICHTE
WANN HAT
HEIMAT
ANGEFANGEN?
Heimat fängt da an, wo die Suche nach ihr endet. Oder wo sie wieder beginnt.
Menschen brauchen einen Ort, wo sie ihren Koffer auspacken können und in Sicherheit sind. Aber oft hat schon vorher jemand dort gelebt
oder später wollen andere diesen Ort für sich haben. Dann fängt alles von vorne an. Geschichte ist ein langer fließender Fluss.
Mit einem Fluss beginnt die Geschichte der Donauschwaben.
DAS SIEDLUNGSGEBIET
Geographie der
Ansiedlung
Die Donauschwaben bauten sich als deutsche Siedler im späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert eine neue Existenz im Königreich Ungarn auf. Sie besiedelten den südlichen Teil des Landes, das Pannonische Becken, eine ausgedehnte Tiefebene, durchquert von Donau und Theiß. Als Spezialisten im Ackerbau angeworben, machten sie die Sumpflandschaft urbar und bauten vor allem Getreide, Hanf und Wein an.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet unter den drei Ländern Ungarn, Rumänien und dem neugegründeten Jugoslawien aufgeteilt, ein Großteil des Siedlungsgebiets Batschka, Syrmien und das West-Banat fiel an Jugoslawien und gehört zum heutigen Serbien, der Provinz Voyvodina.
Der Weg der
Donauschwaben
ENDE 17. JAHRHUNDERT
DIE HEIMAT AUFBAUEN
Sie schufen sich ein Zuhause, über ein Jahrhundert lang taten es ihnen andere nach und wurden zu Donauschwaben. Die Ödnis verwandelten sie unter härtesten Bedingungen zur Kornkammer Europas. Um 1918 lebten über 1,5 Millionen Donauschwaben im Donau-Karpatenraum.
1944 – 1945
DIE ALTE HEIMAT VERLIEREN
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs schlug den Donauschwaben Jugoslawiens aus ideologischem Fanatismus und verstärkt durch Gräueltaten der deutschen Besatzer Hass und Rache in ihrer Heimat entgegen. Sie erlitten verschiedene Schicksale: Deportation zur Zwangsarbeit nach Russland, später die Vertreibung der Ungarndeutschen. Wieder anderen drohten Titos Arbeits- und Vernichtungslager. Vor allem Ältere und Kinder starben vor Hunger und aufgrund von Seuchen. Immer wieder kam es zu Gewaltexzessen. Einer Mehrheit gelang jedoch die Flucht.
ENDE 17. JAHRHUNDERT
AUFBRUCH IN DIE NEUE HEIMAT
Auf einfachen Holzschiffen, den „Ulmer Schachteln“, kamen sie vor allem im 18. Jahrhundert von Ulm über die Donau bis ins Pannonische Becken Ungarns. Die Route dieser Schwabenzüge verlieh ihnen später den Namen Donauschwaben. Als Bauern und Handwerker folgten sie dem Versprechen der habsburgischen Kaiser für Land und Freiheit, wenn sie die nach der Vertreibung der Türken verödeten Landschaften Pannoniens besiedelten.
NACH 1918
DIE HEIMAT WIRD FREMD
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet der Donauschwaben zwischen Ungarn, Rumänien und dem Königreich Jugoslawien aufgeteilt. Nun forderte man von den Donauschwaben als Minorität in der Heimat mehr Assimilation. Nationalismus ergriff Europa und erreichte ihren Lebensraum. Nationalsozialistisches Gedankengut fand auch hier Gehör. Im Zweiten Weltkrieg kämpften Donauschwaben in der Wehrmacht und der Waffen-SS, teils erzwungen, teils freiwillig, teils blauäugig.
NACH 1945
DIE NEUE HEIMAT FINDEN
Jene, die entkommen konnten, kamen ab Ende des Zweiten Weltkriegs nach Österreich und Deutschland, vor allem nach Bayern und Baden-Württemberg, andere zog es weiter hinaus in die Welt. Alle bauten sie eine neue Heimat auf.
…
Erklärvideos
Geschichte in 100 Sekunden
Wir machen die bewegende Geschichte der Donauschwaben über eine Zeitspanne von rund 250 Jahren anschaulich und begreifbar. Unsere vier kurzen Erklärvideos erzählen in jeweils 100 Sekunden von den wichtigsten historischen Stationen der Donauschwaben:
Vom Beginn der Siedlungsbewegung im 18. Jahrhundert ins Königreich Ungarn (Film 1: Aufbruch), dem Aufbau einer neuen Heimat und Kultur der Donauschwaben im Donaubecken (Film 2: Ein neues Zuhause) über die
gewaltsame Vertreibung aus ihrer Heimat (Film 3: Nationalismus, Krieg, Vertreibung) bis hin zur Ankunft und dem Neubeginn in Bayern (Film 4: Neustart und Erinnerung).
Die animierten Erklärvideos sind ebenso in englischer und serbischer Sprache verfügbar (siehe unten). Zum Start einfach „Video abspielen“ anklicken!
Erklärvideos
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Erklärvideos englische Übersetzung
Teil 1 Englisch
Teil 2 Englisch
Teil 3 Englisch
Teil 4 Englisch
Erklärvideos serbische Übersetzung
Teil 1 Serbisch
Teil 2 Serbisch
Teil 3 Serbisch
Teil 4 Serbisch
FLUCHT UND VERTREIBUNG, INTERNIERUNG, DEPORTATION
Die Ereignisse im
Herbst 1944
Der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg hat millionenfaches Leid verursacht. In Jugoslawien forderte die Bombardierung Belgrads am 6. und 7. April 1941 zigtausende Tote und Verletzte, Tausende von Häusern wurden zerstört. Die Deutsche Wehrmacht und die SS taten ihr Übriges an Gräueltaten in den Dörfern und Städten. Das blieb nicht folgenlos.
Im Oktober 1944 trat der Zweite Weltkrieg dann in seine letzte blutige Phase. Im Osten Europas war die Rote Armee auf dem Vormarsch. Die russischen Soldaten besetzten das Siedlungsgebiet Vojvodina, im Norden des heutigen Serbiens, wo sie zahlreiche donauschwäbische Zivilistinnen und Zivilisten vorfanden. Die „Schwaben“, insbesondere die Zivilbevölkerung, wurden in der Folge pauschal für die Gräuel des nationalsozialistischen Besatzungsregimes mit seiner menschenverachtenden Vernichtungspolitik verantwortlich gemacht und kollektiv bestraft. Es kam zu willkürlichen Erschießungen sowie zu massenhaften Vergewaltigungen durch Soldaten und serbische Partisanen. An die 7.000 Donauschwaben fielen den Mordaktionen zum Opfer. Darüber hinaus verfolgte die jugoslawische Volksbefreiungsbewegung die Vorstellung von einem ethnisch homogenen Nationalstaat und plante das Land von der deutschen Minderheit zu säubern. In der Folge wurden die Donauschwaben zu Volksfeinden erklärt, entrechtet und enteignet. Diese als „blutiger Herbst“ in die Geschichte der Donauschwaben eingegangene Tragödie setzte den Anfangspunkt zu Deportationen, Internierungen, Flucht und Vertreibung. Bis in die 1950er Jahre flohen mehr als eine halbe Million Donauschwaben in die ganze Welt, viele von ihnen kamen nach Bayern.
Die insgesamt ca. 12 Millionen Heimatvertriebenen im Nachkriegsdeutschland leisteten einen wichtigen Beitrag für den Wiederaufbau – auch in Bayern, wo sie mit 1,9 Millionen ein Viertel der Bevölkerung stellten.
Die Ereignisse um die deutsche Minderheit der Donauschwaben liegen inzwischen 80 Jahre zurück und sind doch hochaktuell. Kriege wie gerade jene in der Ukraine oder im Sudan lösen Flucht- und Vertreibung aus, Menschen verlieren ihre Heimat und müssen in der Fremde eine neue finden. Es ist ein wiederkehrendes Schicksal, das Menschen bis in die Gegenwart widerfährt. Die Erfahrungen von Krieg, Flucht und Vertreibung wirken oft bis in die nachfolgenden Generationen fort als transgenerative Traumata.