„Erst durch die Anerkennung unterschiedlicher Narrative können wir sie für ein friedliches Europa nutzbar machen.“
- Donauschwaben
- 28. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Erinnerung und Gegenwart: 80 Jahre nach Kriegsende
Acht Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt die Frage nach Erinnerung und Verantwortung aktuell – und hochpolitisch. Am 13. Mai 2025 setzte eine prominent besetzte Veranstaltung in Berlin ein deutliches Zeichen: Unter dem Titel „80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg: Erinnerung und Gegenwart in Deutschland und im östlichen Europa“ diskutierten Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über die Herausforderungen eines gemeinsamen europäischen Gedächtnisses.
Veranstaltet wurde die Tagung vom Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte des östlichen Europas (BKGE), unterstützt vom Kulturforum östliches Europa. Auch der Bundesverband der Donauschwaben war durch seine stellvertretende Bundesvorsitzende Renata Trischler vertreten.
Vergangenheit als Verantwortung – Gegenwart als Aufgabe
Der Zweite Weltkrieg hat Europa tief geprägt. Millionen Menschen wurden Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation – allein rund 14 Millionen Deutsche im östlichen Europa. Diese Erfahrungen, entstanden aus dem von Deutschland entfesselten Vernichtungskrieg, werfen bis heute zentrale Fragen auf: nach Schuld, Versöhnung und dem Umgang mit historischer Verantwortung. Die Veranstaltung machte deutlich: Erinnerung ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern ein fortwährender Auftrag.
„Die deutsche und die osteuropäische Geschichtsdeutung sind nicht deckungsgleich“, betonte Matthias Weber, Direktor des BKGE. „Erst durch die Anerkennung unterschiedlicher Narrative können wir sie für ein friedliches Europa nutzbar machen.“
Stimmen für ein gemeinsames Gedächtnis
Den Auftakt machten Dr. Gundula Bavendamm (Dokumentationszentrum) und Maria Bering (BKM), die die Bedeutung einer „lebendigen Erinnerungskultur“ hervorhoben. In drei Impulsvorträgen beleuchteten Janusz Reiter (ehemaliger polnischer Botschafter), Journalistin Christiane Hoffmann und die Autorin Ira Peter die Thematik aus politischer, medialer und persönlicher Sicht.
In der anschließenden Diskussion unter Leitung von Silke Behl wurde deutlich: Eine gemeinsame europäische Erinnerungspolitik ist möglich – wenn sie Unterschiede nicht übergeht, sondern als Grundlage für Verständigung nutzt.
Brücken bauen, statt Gräben vertiefen
Besonderes Gewicht bekam der Beitrag von Bernard Gaida, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten: „Die deutschen Minderheiten im Ausland, oft Nachkommen der Heimatverbliebenen, sind lebendige Brückenbauer. Ihre Erfahrungen müssen in die Debatte einfließen, um Versöhnung konkret zu gestalten.“
Am Ende der Tagung stand ein klarer Konsens: Die Aufarbeitung von Flucht und Vertreibung darf nicht als abgeschlossenes Kapitel gelten, sondern muss als fortwährender Prozess verstanden werden. Nur durch eine ehrliche, vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der Vergangenheit – ohne Relativierung oder Schuldumkehr – kann Europa seine demokratischen Werte gegen neue autoritäre Bedrohungen verteidigen.
Von Renata Trischler