Die universelle Sprache der Musik – oder was ein Walzer an der Donau mit donauschwäbischer Küche zu tun hat
- Donauschwaben
- 28. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Juni
Ein Gespräch mit dem Münchner Musiker Matthias Well

Matthias Well hat in diesem Frühjahr eine musikalische Reise entlang der Donau unternommen: Auf der historischen Route des Orient-Expresses erkundete der Geiger mit vielen Stationen zwischen Wien und Istanbul die Volksmusiktraditionen Europas – darunter auch die der Donauschwaben. Das Kulturzentrum Haus der Donauschwaben hat das besondere Musikprojekt unterstützt.
Matthias, du warst mit der Geige im Gepäck entlang der legendären Orientexpress-Strecke unterwegs – was hat dich musikalisch am meisten überrascht? Gab es einen Moment auf deiner Reise, der dich emotional besonders berührt hat?
Auf dieser Reise gab es zahlreiche unerwartete Höhepunkte. Besonders beeindruckt hat mich die Vielfalt der europäischen Musik. Es war faszinierend zu entdecken, dass musikalische Grenzen weit über die üblichen Landesgrenzen hinausgehen.
Ich erinnere mich an ein Lied, das ich zu Beginn meiner Reise auf den Spuren der Donauschwaben in Pécs gelernt habe. In diesem Lied wurde von der Donau gesungen, und es fasziniert mich bis heute. Es hatte eine melancholische Note, die mich tief berührt hat und während meiner gesamten Reise entlang des Donauufers nicht mehr losließ.
Du hast dich auch auf Spurensuche nach der Musik der Donauschwaben gemacht. Was hast du dabei über diese Volksgruppe und ihre musikalische Tradition erfahren, das dir vorher nicht bewusst war?
Während meiner Reise entlang der Donau habe ich viel über die musikalische Tradition der Region gelernt. Die kulturelle Vielfalt, wo Ungarn, Roma und Kroaten harmonisch zusammenleben, ist einfach beeindruckend. In Rumänien haben mich die choreografisch anspruchsvollen donauschwäbischen Tänze beeindruckt. In Serbien war ich besonders von den vielen früheren musikalischen Formationen überrascht, darunter Männergesangsvereine, Salonorchester und Blaskapellen.
Viele verbinden Volksmusik mit Tracht und Blaskapelle – wie würdest du den typischen Sound der donauschwäbischen Musik beschreiben? Hast du ein donauschwäbisches Lied oder ein Musikstück entdeckt, das dir besonders im Ohr geblieben ist – und warum?
Vieles davon erinnert mich tatsächlich an die bayerischen Volkstänze. Die Melodien strahlen einen vertrauten, heimeligen Charakter aus, und erzeugen das Gefühl von Geselligkeit.
Bei mir zumindest... In Ungarn wurde mir die Hymne der Donauschwaben vorgespielt und ich durfte sie mit der Geige mitspielen. Das war eine sehr einprägsame Melodie und auch ein sehr schöner Moment.
Inwiefern unterscheidet sich die Musik der Donauschwaben von anderen Volksmusiken entlang deiner Route?
Die Volksmusik der Donauschwaben ist stark von Walzern und Polkas sowie der typischen Blasmusik geprägt. Im Gegensatz dazu zeigt die Musik der Roma eine Virtuosität, insbesondere an der Geige. Die Balkanmusik wiederum zeichnet sich durch ungerade Rhythmen aus und hat ebenfalls einen ausgeprägten Einfluss von Blasinstrumenten. Es ist faszinierend, beide Stile so nah beieinander zu erleben und zu sehen, wie sie sich in der kulturellen Landschaft ergänzen.
Was würdest du sagen: Ist die Musik eher ein Fenster in die Vergangenheit – oder eine Brücke in die Zukunft?
Musik spiegelt unsere Vergangenheit wider, aber sie ist auch ein wichtiger Ausdruck von Emotionen und Identität. Sie verbindet Menschen, erzählt Geschichten und hält Traditionen am Leben. Man könnte sagen: „Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft!“ Diese Verbindung zur Tradition ist wichtig, um unser kulturelles Erbe lebendig zu halten und an die nächsten Generationen weiterzugeben
Du hast viele Musikerinnen und Musiker getroffen – was hast Du mit ihnen gemeinsam oder neu erlebt?
In Ungarn hatte ich die Gelegenheit, auf einer Bratsche mit flachem Steg zu spielen, was eine ganz neue Spielhaltung erforderte. In Serbien habe ich vor allem die ungeraden Rhythmen kennengelernt und das Tanzen dazu erlernt. In Istanbul hingegen eröffnete sich mir die faszinierende Welt der Vierteltöne und ungewöhnlichen Harmonien, die meine musikalischen Erfahrungen bereichert haben
Als Geiger mit bayerischen Wurzeln und weltoffenem Ohr: Wie hat dich diese Reise verändert – musikalisch, aber vielleicht auch persönlich?
Die Reise hat mir gezeigt, dass die normalen Landesgrenzen nicht für die Musik gelten. Europa ist ein Mosaik aus vielfältigen Kulturen und Traditionen, die es wert sind, bewahrt zu werden. Ich habe erkannt, dass eine Welt ohne Kultur und Tradition ein trostloser Ort wäre.
Immer mehr wird mir bewusst, wie universell die Sprache der Musik ist und wie sie Menschen miteinander verbindet, unabhängig von Herkunft oder Sprache.
Und zum Schluss: Wenn du ein donauschwäbisches Gericht vertonen müsstest – wie würde es klingen? Polka, Lamento oder lieber Dreivierteltakt mit viel Schmalz?
Spontan fällt mir dazu ein: Ein Walzer entlang der Donau. Dann hat der Magen Zeit, das zu Gericht zu verdauen. Eine Polka wäre zu schnell….
Vielen Dank für das Gespräch, lieber Matthias!
von Gabriele Schilcher
Website des Musikers: www.matthiaswell.de
Die Musikreise von Matthias wurde von einem Dokumentarfilmer begleitet. Auf dem youtube-Kanal „Well Travelled“ gibt es bereits einige Kurzfilme von der Reise zu sehen: www.youtube.com/@matthiaswell